In diesem Beitrag geht es um eines der ältesten Leuchtmittel nach den seit ungefähr 40.000 Jahren bekannten Öllampen. Nämlich den Kerzen. Der Europäischen Vereinigung der Kerzenmacher (ECMA) nach sollen diese seit mindestens 5.000 Jahren genutzt werden. Nur nicht unbedingt in der Form, den Herstellungsarten und den Materialien wie wir sie heute kennen.
Für moderne Kerzen werden überwiegend petrochemisch erzeugte Brennstoffe mit unterschiedlichen Zusatzstoffen, industriell geflochtene Baumwolldochte und auf Massenfertigung ausgelegte Herstellungsverfahren genutzt.
Das alles gab es natürlich in der Zeit über die ich schreibe noch nicht. Kerzenherstellung war reine Handarbeit.
Aus was bestanden Kerzen eigentlich?
Im Prinzip ist es einfach. Eine Kerze besteht aus einem saugfähigen brennbaren Docht der von einem bei niedrigen Temperaturen schmelzenden Brennstoff umhüllt ist. Der Docht wird entzündet, die Flamme schmilzt den Brennstoff der durch die Kapillarwirkung des Dochtes zur Flamme hin transportiert wird, dort verdampft und verbrennt.
Als Docht wurden Stroh, Papyrus, Binsen, Leinenfäden, Werg, kurz alles was eine Kapillarwirkung erzielte genutzt.
Typischer Brennstoff für günstige Kerzen war Rinder- oder Schaftalg, der zu stark riechenden „Unschlittkerzen“ verarbeitet wurde. Der weitaus teurere, dafür weniger anrüchige Brennstoff war Bienenwachs. Die Gewinnung von Bienenwachs und Honig war in früheren Zeiten eine erheblich aufwändigere als heute und somit sehr teuer, die Kerzen dem finanzkräftigeren Teil der Bevölkerung vorbehalten. Wichtigster Kunde waren Adel und Klerus, im Spätmittelalter kamen noch wohlhabendere Stadtbevölkerung hinzu. Durch den hohen Bedarf wurde Bienenwachs im Mittelalter zu einem wichtigen Handelsgut. Kerzenhersteller waren im späten Mittelalter in Zünften organisiert.
Dennoch möchte ich heute über die Herstellung von Bienenwachskerzen schreiben.
Kerzen können auf verschiedene Arten hergestellt werden. Die älteste und einfachste ist die der Handformung. Dabei wird handwarmes Bienenwachs um einen Docht geknetet und die Kerze anschließend auf einem glatten Untergrund gerade gerollt. Das funktioniert komplett ohne Werkzeug und ist mit Kerzenfunden aus dem auf das 6./7. Jhdt. datierten Gräberfeld Oberflacht nachgewiesen.
Eine weitere Methode ist die des „Kerzen Rollens“. Dazu wird Wachs verflüssigt, auf einer glatten Oberfläche dünne Wachsplatten gegossen, diese anschließend um einen Docht herum gewickelt und durch anschließendes Rollen verdichtet. Mit dieser Methode können sehr große und dicke Kerzen angefertigt werden. Im bereits zuvor genannten Fundkomplex Oberflacht und anderen Fundorten blieben Kerzenständer erhalten, die auf Kerzen mit Durchmessern von bis zu 7 cm schließen ließen.
Gegossene Kerzen sind für verschiedene Weltregionen und Jahrhunderte nachgewiesen. Hergestellt werden können sie auf zwei Arten. Die bekannteste ist der Einguss flüssigen Wachses in eine vergängliche oder feste Form. In einer weniger bekannten Variante wird der Docht in eine Vorrichtung eingespannt und immer wieder mit flüssigem Wachs übergossen bis eine Kerze ensteht.
Das war jetzt ein ganz kurzer Abriss über Kerzenherstellung. Einem aufmerksamen Leser fällt sicher auf, dass ich eine Methode nicht nannte.
Es fehlt die für hochwertige Kerzen immer noch verwendete Methode des Kerzenziehens.
Diese Methode erfordert einiges an Vorbereitung, einige wenige Gerätschaften, sehr viel Zeit und noch mehr Geduld. Und doch erzielt sie das optisch beste Ergebnis. Zudem kann die Kerze damit optimal auf den vorgesehenen Verwendungszweck angepasst werden.
Wie beim Kerzengießen benötigen wir eine Wärmequelle, Dochte, Bienenwachs, einen oder mehrere Behälter um das Wachs darin einzuschmelzen, ein Gestell um die entstehenden Kerzen darin aufzuhängen.
Als erstes muss überlegt werden welche Kerzen gezogen werden sollen, denn je nach Verwendungszweck unterscheiden sich Form und Abmessungen. Nach diesen Kriterien sollte die Auswahl des Dochtes erfolgen, denn dieser bestimmt das Abbrandverhalten maßgeblich. Wenn Kerzen nach historischem Vorbild angefertigt werden sollen, muss mit dem Dochtmaterial experimentiert werden.
Heute bietet der Fachhandel verschiedene vorkonfektionierte Dochte für unterschiedliche Kerzenstärken und Wachse an. Das „einer passt für alle und alles“ gibt es bei Dochten nicht. Ich nutze für Bienenwachskerzen laufrichtungsgebundene Runddochte (ja, die haben eine vorgeschriebene Abbrandrichtung) und universeller einsetzbare Flachdochte aus deutscher Herstellung. Mit erheblich günstigeren, über einen großen Onlinehändler bezogenen Dochten aus chinesischer Produktion machte ich schlechte Erfahrungen.
Hier eine Übersicht welcher Docht für welchen Kerzendurchmesser passt.
Runddocht | Flachdocht | Kerzendurchmesser |
0 | 3×06 | 5 – 12 mm |
1 | 3×07 | 13 – 24 mm |
2 | 3×07 | 25 – 30 mm |
3 | 3×09 | 31 – 35 mm |
4 | 3×09 | 36 – 40 mm |
5 | 3×12 | 41 – 45 mm |
6 | 3×15 | 46 – 50 mm |
Arbeitsschritte
Zuerst muss das Bienenwachs in einem hohen Behälter im Wasserbad auf etwa 70- 75° C verflüssigt werden. Bienenwachs hat einen Schmelzpunkt von 62° C.
In der Werkstatt nutze ich eine 22 cm hohe Würstchendose in einem Spargeltopf auf einem modernen Elektroherd. Für Vorführungen kommt ein von „Keramik durch die Epochen“ rekonstruierter Kerzenziehbehälter aus dem 13. Jhdt. nach einem Fund aus dem niederländischen Dordrecht zum Einsatz. Dieser wird mit Wachs befüllt neben ein Herdfeuer gestellt.
Während das Wachs schmilzt werden die Dochte vorbereitet. Je nachdem wie lang die fertige Kerze werden soll schneide ich den Docht in der gewünschten Länge mit einer Zugabe von 10 cm ab. Aus der Zugabe wird am oberen Ende eine Schlaufe gebunden und die Dochte über ein Holz mit mehreren Kerben geschoben.
Ich bereite meist eine durch das alte Maß Dutzend (12 Stück) teilbare Anzahl Dochte vor. Ein Dutzend war für Kerzen eine gebräuchliche Handelsgröße. Weitere auf 12 basierende gebräuchliche Handelsgrößen war das Maß (12 Gros/ 1.728 Stück), das sich in Gros (ein Dutzend Dutzend/ 144 Stück) und das Schock (5 Dutzend/ 60 Stück). Wollte ich komplett auf alte Maßeinheiten setzen würde ich Kerzen nach alten Gewichten anfertigen. Gebräuchliche Kerzen wogen zwischen 5 und 7 Lot. Ein Lot liegt zwischen 14,6 und 17,5 g.
Da natürlich jeder Markt, jede Gegend eigene Maßeinheiten, teilweise ein eigenes Münzwesen hatte, mussten Händler die Unterschiede kennen. Das wurde durch die Einführung genormter Maßeinheiten erheblich vereinfacht.
Ist das Wachs geschmolzen werden die Dochte erstmals so tief wie die künftige Kerze lang werden soll in das flüssige Wachs getaucht. Sobald keine Blasen mehr aufsteigen ist der Docht vollständig getränkt und kann in einem Gestell zum Verfestigen der Wachschicht aufgehängt werden. Dieser Vorgang des Eintauchens und Verfestigens wird so lange wiederholt bis die gewünschte Kerzenstärke erreicht ist. Damit die fertige Kerze gerade wird rolle ich sie, sobald sie etwa 5 mm Durchmesser hat, zwischen zwei glatten Brettern.
Ist die Kerze fertig gezogen wird sie am unteren Ende gerade geschnitten, der Docht gekürzt und in noch leicht warmen Zustand am unteren Ende etwas schräg gerollt damit sie besser in einen Kerzenständer passt. Zum Aushärten lege ich die Kerzen für einen Tag in den Kühlschrank. Das nimmt dem Bienenwachs die Klebrigkeit.
Zur Qualität von Bienenwachskerzen
Werden Kerzen aus reinem Bienenwachs längere Zeit an einem kühlen Ort gelagert, bildet sich an der Oberfläche eine weiße Schicht. Das ist kein Schimmel (auch wenn das gern mal unterstellt wird) sondern eher ein Qualitätsmerkmal. Diese Schicht entsteht durch im Bienenwachs enthaltene austretende Öle. Mit anderen Stoffen gestrecktes Bienenwachs entwickelt diese Schicht i.d.R. nicht. Reibt einfach mit einem weichen Tuch darüber und die Schicht ist weg. Echte Bienenwachskerzen fassen sich bei Zimmertemperatur zudem IMMER etwas weich und leicht klebrig an.
Noch ein paar Worte zu Bienenwachs und dem Respekt vor der Natur
Honig und Bienenwachs sind Naturprodukte und werden von Honigbienen prodiziert. Ebenso wie Honig wird im Massenhandel erhältliches Wachs gefälscht, gestreckt, gepanscht. Wer selbst Kerzen herstellen möchte, sollte das Wachs daher von einem lokalen Imker kaufen.
Eine einzelne Honigbiene produziert in Laufe ihres Lebens ungefähr einen Teelöffel (10 g) Honig. Dafür muss sie ungefähr 1.000x ausfliegen und Nektar sammeln. Ein Bienenvolk erzeugt im Jahr etwa 50 kg Honig und 0,5 bis 0,8 kg Wachs. Um ein Kilo Wachs zu produzieren benötigen Bienen zwischen 1,5 und 6 kg Honig.
Wenn ihr dem Imker noch ein paar Gläser Honig abkauft unterstützt ihr ihn und sorgt dafür, dass die alte Kunst der Bienenzucht erhalten bleibt.