Rezepte: Bouch von gouter Spise- Heidenische Kuchen

Als Hobby im weit gefächerte Hobby „Mittelalter“ beschäftige ich mich mit historischer Küche. Mit dem Nachkochen überlieferter Rezepte versuche ich herauszufinden wie mittelalterliches Essen tatsächlich schmeckte.

Denn anders als es populärwissenschaftliche Formate, leider auch schulische Unterrichtsliteratur, oder manche Museen immer wieder falsch darstellen war das Essen der Menschen in den 1.000 Jahren des europäischen Mittelalters weder fade, überwürzt oder sonstwie „anders“ als das unsrige. Ich finde das Essen des Mittelalters sogar vielschichtiger und Geschmacksintensiver als das heutige. Das hat etwas mit der über Jahrhunderte populären „Vier- Säfte- Lehre“ oder mit dem Fachbegriff bezeichneten Humoralpathologie zu tun. Es komplett erläutern würde den Rahmen dieses Beitrags sprechen. Nur so viel sei gesagt: in einer mittelalterlichen Mahlzeit gabe es nie nur EINE Geschmacksrichtung.

Für ein Abendessen bereitete ich einen „Heidenischen Kuchen“ aus dem um 1350 herum in Würzburg entstandenen „Bouch von gouter Spise“ (BvgSp, Rezept 5a) vor.

Das Rezept lautet wie folgt:

Heidenische kuchen.

Diz heizzent heidenische kuchen. Man sol nemen einen teyc. und sol (den) dünne breiten, und nim ein gesoten fleisch, und spec gehacket, und epfele. und pfeffer. und eyer dar in. und backe daz.
und gibes hin und versirtez niht.

Jetzt werden sich einige Leser denken „das soll ein Rezept sein?“. Richtig, es ist eines. Mittelalterliche Kochhandschriften sind keine Schritt- für Schritt Anweisung mit grammgenauen Zutatenlisten wie wir sie von heutigen Rezepten kennen. Die alten Rezepte sind mehr Handlungsanweisungen und richten sich an erfahrene Köche. Was darin an Zutaten in welchen Mengen verwendt wurde wussten diese.

Genau das ist die Schwierigkeit des Nachkochens. Wir kennen die Verhältnisse der Zutaten, zueinander nicht und müssen uns im Experiment heran tasten.

Optisch sieht der „Heidenische Kuchen“ wie ein Apfelstrudel aus und das Grundprinzip ist ziemlich ähnlich. Der Teig besteht aus einem Pfund Mehl, einem halben Pfund Schmalz, einem Ei und einer guten Prise Salz. Die Zutaten werden zu einem glatten festen Teig verarbeitet und zum Ruhen kühl gelegt.

Für die Füllung verarbeitete ich ein gutes halbes Pfund Kasseler, ein weich gekochtes Stück selbst gemachten Schinkens, vier zusammen mit einem klein geschnittenen Apfel scharf angebratene Zwiebeln zu einer Farce.

In Erweiterung zum Originalrezept fügte ich je eine Handvoll Backpflaumen, Datteln und ein halbes Pfund ebenfalls scharf angebratene Pilze der Farce hinzu. In künftigen Zubereitungen lasse ich die Pilze weg und ändere das Verhältnis Zwiebel zu Apfel auf 1:1.

Gewürzt wurde mit Pfeffer, Piment und Poudre fine. Die Süße der Früchte steht dem leicht salzigen Geschmack des Fleisches entgegen. Abgerundet wird es durch die Schärfe des in der Würzmischung enthaltenen Ingwer.

Der Teig wurde auf ca 2 mm Stärke ausgerollt, mit der Farce bestrichen, zu einer Rolle geformt und im Backofen bei 180° C ca. eine Stunde gebacken.

Dazu wurde Weichselkirschsauce gereicht. Dieses Rezept ist denkbar einfach.

Ein Glas Sauerkirschen mit 100 g Honig, 2 (!) gemahlene Nelken, einem Teelöffel Zimt und einer Messerspitze frisch gemahlenen Pfeffers aufkochen und mit Semmelbröseln aus einem Roggenmischbrot zum Eindicken binden. Weizenbrot funktioniert ebenfalls, ich mag das leicht säuerliche des Roggens als Kontrast zu Nelke und Zimt. Wer es geschmacksintensiver mag erhöht den Anteil der Gewürze, doch Vorsicht mit der Nelke- sie ist sehr dominant.

In frisch sterilisierte Gläser heiß abgefüllt und kühl gestellt hält sich die Sauce einige Monate. Sie passt sehr gut zu Schweinebraten oderSüßspeisen.

Kuchen gerollt ungebacken

Kuchen frisch aus dem Ofen

Es ist angerichtet

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