Versuch: Brenndauer gerollte Kerze

Der Versuchsaufbau war die Brenndauer einer handgerollten Bienenwachskerze mit einem aus Flachsfasern gedrillten Docht zu ermitteln. Die Kerze wurde nach einem Vorbild von drei im Gräberfeld Oberflacht (Link zu Wikipedia) gefundenen Kerzen aus dem 6. Jhdt. in nicht maßstäblicher Abmessung gefertigt.

Die Originalkerzen maßen zwischen 20,6 und 27,9 mm bei einem Durchmesser von ca. 20 mm. Die Maßangaben sind dem Fundbeschreibungstext von 1962 entnommen. Die gefundenen Kerzen weisen zwischen sechs und acht verdrillte Faserstränge als Dochtmaterial auf. Zum Beschreibungszeitpunkt war das dafür verwendete Material nicht genauer untersucht.

Auf Grund der Entstehungszeit und Auswertung des Bildmaterials entschied ich mich für die Verwendung von Flachsfasern als Dochtmaterial.

Das Wachs wurde in einem Tontopf am Feuer geschmolzen, mit einem Holzlöffel auf ein gewässertes Stück Glattleder dünn verteilt, nach dem Abkühlen zugeschnitten, vom Leder abgezogen, auf das noch warme Leder zurück gelegt und um den Docht gerollt, anschließend von Hand verdichtet.

Abmessungen der Kerze: 130×18 mm, gerollt aus einer Wachsplatte.
Docht: Flachs, 2 Fäden verdrillt, Durchmesser ca. 2 mm.

Beobachtung:
Der gedrillte Docht brennt ruhig und biegt sich wie modern maschinell geflochtene aus der Flamme heraus, verglüht dort, muss daher nicht gekürzt werden. Für die schlanke Kerze ist der Docht zu dick. Er erzeugt zu viel Hitze, daraus resultiert ein schnelleres Aufschmelzen und somit eine reduzierte Brenndauer der Kerze.

Wachsverbrauch: 3 cm/ Stunde.
Prognostizierte Brenndauer: 4 Stunden.
Tatsächliche Brenndauer: 3 Stunden

Fazit: für eine längere Brenndauer muss die Kerze mit zwei Wachsplatten gerollt werden. Für den Docht ist auf die Verwendung gleichmäßiger Fäden zu achten, holzige oder unregelmäßige Bestandteile verändern das Abbrandverhalten.

Überlegung:
Aus dem Versuch heraus entsteht die Frage, ob die in Oberflacht gefunden Kerzen mit ihren vielen Dochten (6-8 gegen 2) tatsächlich als vglw. langsam brennende Kerzen, sondern mehr als schnell abbrennende „Zünder“ für eine Fackel zu sehen sind.

Vergleiche hierzu weitere Funde aus dem Grabkomplex Oberflacht sowie dem „Sängergrab“ der Severinskirche in Köln (Päffgen, Bernd: Die Ausgrabungen zu St. Severin in Köln, 1992). In diesem Fund wird von Holzstäben mit Anhaftungen organischer Reste geschrieben. Zitat „… organische Reste beobachtet, die wir zunächst für einen Holzstab hielten. Die Untersuchung ergab angeblich, tierisches Fett gegossen, mit doppelter Schichte, von Weidenbast umgeben, im Inneren eine Art von Docht, das Ganze wohl eine Art von Fackel.“. Als Beleg wird im zitierten Text auf BÜLL, Reinhardt „Vom Wachs“ S. 533 verwiesen.

Nach weitergehender Suche stieß ich auf einen Artikel in der Zeitschrift für Archäologie aus dem Jahr 2014 in dem es um „Hochmittelalterliche Beleuchtungsformen im Südwesten“ von Fabian Brenker ging.

Hier werden die Kerzen aus den Oberflacht- Funden nochmals erwähnt. Insbesondere die von ihm genannte Anzahl der Dochte lassen mich immer stärker an der Verwendung als einzel stehende Kerze zweifeln. Brenker schreibt von 9-10 und einmal von 16 Dochten. Im Weiteren beschreibt er in seinem Beitrag in einem ehemaligen Kloster bei Basel gefundene Kerzen von 20,5 und 26,5 cm Länge aus dem 15. Jhdt. bei denen 40-45 (!) verdrehte Hanfschnüre Dochte von 1,5 -1,7 cm Durchmesser bilden, die mit drei bis vier Schichten Wachs ummantelt wurden. Das Foto lässt auf eine Dicke ähnlich der in Oberflacht gefundenen Stücke von um die 2 cm schließen.

Es ist unlogisch, in einem relativ schlanken Kerzenkörper viele Dochte unterzubringen. Außer man möchte, dass diese sehr schnell abbrennt und umliegendes Material entzündet.

Über diese Thematik tauschte ich mich u.a. mit der von mir sehr geschätzten Textiltechnikerin Silvia Bestgen von Zeitensprung Handweberei aus. Silvia brachte den Aspekt des Materials der Dochte sowie deren Verzwirnung ein. Sie wies darauf hin, dass verschiedene Pflanzenfasern unterschiedliche Eigenschaften aufweisen und diese je nach Stärke der Verzwirnung mehr oder weniger Brennmaterial aufnehmen. Alles zusammen beeinflusst das Abbrandverhalten.

Das ist etwas, das ich in einer kleinen, nicht ganz wissenschaftlichen Versuchsreihe über den Winter ausprobieren werde.

Gerollte Kerze im HalterNahaufnahme gerollte Kerze, Detail WachsschichtenFrisch entzündete KerzeNahaufnahme Flachsdocht

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